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Rewe to Go in Berlin-Charlottenburg: Bloß keine Experimente, bitte!

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Sechseinhalb Jahre ist es her, dass Rewe sein neues Snackkonzept Rewe to Go in die Kölner Fußgängerzone pflanzte (siehe Ur-Supermarktblog) – und dort dann weitgehend sich selbst überließ. In den Jahren darauf folgten zwar weitere Neueröffnungen an Bahnhöfen und in Innenstädten; über den Status eines besseren Tankstellenshops (ohne Zapfsäulenanschluss) kam die Minikette aber nie hinaus.

Das musste sie zuletzt auch gar nicht mehr, weil man sich ob dieser konzeptionellen Ödnis rasch mit dem idealen Partner einig geworden war, um weiter zu expandieren: dem Tankstellenbetreiber Aral.

Der hat inzwischen angekündigt, an seinen Stationen in den kommenden vier Jahren „bis zu 1.000 Stationen mit REWE To Go-Shops“ installieren zu wollen. Und damit könnte die Sache eigentlich erledigt sein – wäre bei Rewe nicht im allerletzten Moment doch noch der Geistesblitz eigeschlagen, dass die triste Tankstellentochter zu Höherem berufen sein könnte. (Vor allem jetzt, da das Experiment Amazon Go sich laut Bloomberg langsam in Richtung Eröffnung bewegt.)

Bereits im zurückliegenden Frühjahr eröffnete Rewe to Go einen neuen Markt in Berlin-Charlottenburg, bei dem jeder Amazonier vor Neid erblassen dürfte.

Der Laden ist groß, aber nicht riesig, liegt direkt in der Fußgängerzone mit hoher Kundenfrequenz und verfügt über die besten Voraussetzungen, um neue Technologien und Kooperationen zu testen, wie sie für Lebensmittelhändler künftig unerlässlich sein werden, wenn sie sich in einem wandelnden Markt behaupten wollen. Schauen Sie mal ganz genau hin:

Bargeldlos-SB-Kassen

Am Eingang stechen direkt die schlanken SB-Kassen ins Auge, die im Grunde genommen nur aus einem berührungsempfindlichen Bildschirm mit Scanner bestehen, vor den man den Salat und den Smoothie hält, um beides anschließend kontaktlos mit der Karte zu bezahlen. Auf diese Weise spart Rewe sich die Kleingeldabrechnerei und der Kunde Zeit in der Mittagspause. Futuristisch-modern sehen die Terminals natürlich auch aus.

Nein, auf diesem Foto sind keine schlanken SB-Kassen zu sehen.

Gut, in Österreich ist Spar schon auf dieselbe Idee gekommen. Aber wichtig ist ja, dass man einfach mal was ausprobiert, um zu sehen, wie es bei den eigenen Kunden ankommt.

Kaffee per App

Den Kaffee von unterwegs per Smartphone-App vorbestellen, mobil bezahlen und direkt am Tresen abholen, wenn man in den Laden kommt, anstatt dabei zuzusehen, wie die Leute in der Schlange weiter vorne ewig ihre Milch aufgeschäumt kriegen: So lässt man sich seine Koffeinsucht gefallen.

Wie gut, dass Rewe to Go seinen riesigen Ladentresen nicht mit lauter altmodischen Kassen zugemauert hat, von denen die meiste Zeit ohnehin nur eine einzige in Betrieb ist – und stattdessen an einer separaten Station die Abholnummer der vorbereiteten Kaffeespezialitäten auf den Bildschirm beamt.

Sorry, das mit der Abholstation ist nix geworden – hier ist jedenfalls keine drauf.

Letzteres kriegt ja nicht mal Starbucks hin, das sich vor Umsatz kaum noch retten kann, seitdem Kunden ihren Kaffee mobil vorbestellen und die Bestellschlange umgehen können. Wichtig ist halt, dass man sowas einfach mal ausprobiert, um zu sehen, wie es bei den eigenen Kunden ankommt.

(Ach, und natürlich ist die moderne Rewe-to-Go-App zugleich Bonuskarte und speichert die Käufe regelmäßiger Wiederkommer ganz automatisch!)

Nix App, schön weiter stempeln!

Innovatives Sortiment

Süßkram, Standardsalate und ein bisschen Drogeriequatsch – das entspricht wahrlich nicht (mehr) dem Anspruch eines modernen Snack-Supermarkts. Stattdessen überrascht Rewe to Go in Berliner Zentrallage neben den Standards mit sorgfältig ausgesuchten Besonderheiten für den schnellen Genuss, die im Lidl oder in den Drogerien gegenüber nicht so einfach zu kriegen sind: Algenchips, Insektenriegel, edle Schokoladensorten, herausragende Knuspereien vom Feinbäcker.

Hier sehen Sie leider nur ein klassisches Supermarkt-Sortiment, teurer als im klassischen Supermarkt.

Wichtig ist – Sie wissen Bescheid: dass man’s einfach mal ausprobiert.

Kooperationen mit Food-Start-ups

Vor allem aber bleibt im Erdgeschoss des architektonisch legendären „Schirmständerhauses“ genügend Platz, um sich mit wechselnden Food-Start-ups zusammenzutun.

Im hinteren Ladenteil, wo man auch einfach eine unmotivierte Sitzgruppe hätte hindrapieren können, bieten die Partner schmackhafte Alternativen zu den pappigen Warmhalt-Wochengerichten, die eilige Vorm-Computer-Esser weiter vorn sonst in zu kleine Mitnahmeboxen gebrabst kriegen. Da ist so eine leckere Protein-Bowl mit Edamame-Bohnen, Kürbis, Brokkoli und rote Beete eindeutig die schmackhaftere Wahl. Und gesund zugleich!

Suchen Sie nicht weiter: Unter keinem dieser Sessel hat sich ein Junggastronom versteckt.

Sicher, in den USA ist Whole Foods schon auf eine ganz ähnliche Idee gekommen und holt sich erfolgreiche Jung-Gastronomen mit seinem „Friends“-Programm in die Filialen. Die wissen halt, dass man mal was ausprobieren muss, um zu sehen, wie das bei den Kunden ankommt.

Ist auch  besser, als ein paar winzigen belegten Baguettes affige Namen zu geben …

"Lord & Lady Baguettes" sind die neuste Rewe-to-Go-Innovation.

… und dann zu Wucherpreisen zu verkaufen.

Ja, das kostet 3 Euro. Jedes einzelne.

Scan and Go

Mittagspausen sind kurz, und wenn sie noch kürzer werden, weil sich im Schnellsupermarkt um die Ecke wieder die gesamte Kundschaft am Kassentroll staut, während nebenan zwei Mitarbeiter gemütlich Regale auffüllen, sind sie auch noch ätzend.

Im Rewe to Go würde das nie passieren, nie! Weil man dort verinnerlicht hat, wie kostbar die Zeit der Kunden ist: Einkäufe können kurzerhand per App bezahlt werden, ohne Umweg an die Kasse. Einfach registrieren, Produkt scannen, Zahlung bestätigen und beim Rausgehen den Bestätigungs-Screen scannen. Wer sagt denn, dass es hochkomplizierte Algorithmen braucht, um das Bezahlerlebnis im Supermarkt deutlich zu verbessern?

Hier gibt's nichts zu scannen, bitte begeben Sie sich direkt in die Kassenschlange.

Gut, in Großbritannien ist Sainsbury’s schon auf dieselbe Idee gekommen.

Es muss ja auch nicht gleich ein Supermarkt sein, der komplett auf Personal verzichtet – so wie Coop das in Dänemark vorhat bzw. Auchan mit „Auchan Minute“ in Shanghai bereits praktiziert. Wichtig ist einfach, dass man überhaupt mal was ausprobiert. Um zu sehen, wie es bei den Kunden ankommt.

Deshalb kann man Rewe zu der Neugierde, mit der die Handelskette in Charlottenburg innovative Technologien testet, nur beglückwünschen. Vergessen ist das merkwürdige Zitat des Vorstandsvorsitzenden, der kürzlich in einem Interview meinte, man werde „technologisch […] nie besser sein als Amazon“ (siehe Supermarktblog). Wer so aufgeschlossen in die Zukunft des stationären Handels schaut, anstatt einfach nur ein seit sechseinhalb Jahren nicht weiterentwickeltes Konzept von der Tankstelle in die Fußgängerzone zurück zu drücken, hat es schlicht und einfach verdient, im Wettbewerb um die Gunst der Kunden auch künftig ganz vorne mitzuspielen.

Und falls Sie sich wundern, warum die vielen in diesem Beitrag beschriebenen Neuerungen auf den Bildern oben gar nicht zu sehen sind: Bringen Sie halt ein bisschen Fantasie mit, verdammt noch mal!

Fotos: Supermarktblog"

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